Es muss so Anfang der 60er Jahre gewesen sein als beschlossen wurde dieses Hotel zu errichten. Eröffnet oder sollte ich sagen, geboren, wurde es am 14.01.1963. Nunmehr ist dieses Hotel 61 Jahre alt
plus ein paar Monate, also eigentlich im zweiundsechzigsten Jahr, genau genommen. Warum ich das erwähne? Nun, es ist ein 8er Jahr, dieses Zweiundsechzigste Lebensjahr, was auch immer dies bedeuten mag. Jedenfalls, es fühlt sich richtig gut an, dieses 8er Jahr.
Was soll daran schon so besonders sein, könnte Frau/Mann jetzt fragen. Es ist dieses spezielle 8er Jahr, in dem ich feststellte, dass dieses Gedankenhotel das meinige ist. Ich weiß beim besten Willen nicht mehr woher ich auf einmal wusste das dies mein Hotel ist. Mein hoch geschätzter Verstand konnte mir auch keine Erklärung geben. Lustigerweise ist dieses Hotel schon seit meiner Geburt das meinige. Wir haben gemeinsam Geburtstag, irgendwie großartig. Ja und? Gute Frage. Tja, in meinem beschaulichen Kämmerlein kam mir da so eine Idee.
Wenn dies mein Hotel ist, warum übernehme ich nicht einfach das Kommando? So fing ich an mir dieses magische Gedankenhotel näher zu betrachten. Soweit ich mich erinnere, brauchte ich ungefähr drei Tage, um mir alles in diesem Hotel anzusehen. Ich wanderte durch viele Flure, sah mir jedes Zimmer an, wobei die meisten Zimmer, die hier vermietet werden in der mittleren Ebene des Hotels sind.
Wer das so entschieden hat, weiß ich auch nicht, vielleicht war das ja der Architekt des Hotels. Vom Gefühl her würde ich sagen, guter Architekt, weil, es fühlt sich alles stimmig an. Ich scheute mich auch nicht die staubigen Kellerräume zu durchforsten, manches Mal mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Nun ja, ehrlich gesagt auch in Kellerräumen verbergen sich schon mal Schätze die auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen sind. Schon mal einen Blick in die eigenen Kellerräume geworfen? Einfach mal machen, könnte eine spannende Reise werden. Ach, bevor ich es vergesse, ich war auch auf dem Dachboden und sehr überrascht was da alles für teils ziemlich alte Schätze lagerten. Da gab es tatsächlich Truhen mit Sachen, die wie aus einer anderen Welt aussahen, so wie bei Aladin mit der Wunderlampe, sehr, sehr mysteriös. Dann hatte ich, bekam ich oder war einfach da, keine Ahnung, ein Wort in meinem Kopf: „Rezeption“.
Okay dachte ich, das war bestimmt der Engel mit den gelben Klamotten und den Fügelchen auf dem Rücken. Wie hieß der noch? Ach ja, Konfuzius. Also gut dachte ich, Rezeption. Ja, das ist der Dreh- und Angelpunkt. Hier muss jeder und alles vorbei. Da müssen alle ihren Namen hinterlassen und den ganzen anderen Kleinkram. So nahm ich mir diese unzählbaren Bücher zur Brust. Alter Schwede dachte ich. Wie lange soll das denn dauern? Seltsamerweise oder sollte ich sagen mystischerweise, landete ich beim Durchblättern jedoch immer auf speziellen Seiten. Es war fast wie ein Magnet, der mich zu diesen speziellen Einträgen hinzog und ich kann euch sagen ich war wirklich erstaunt, wer hier in diesem Gedankenhotel so alles zu Besuch war.
Manche Gäste kamen von so weit her, dass ich nicht wusste, wo ihre Heimat sich befindet. Seltsame Namen standen da, so was wie Arcturus, Sirius, Plejaden. Klingt irgendwie nach weit weg. Einige kamen tatsächlich aus der direkten Nachbarschaft. Sogar Verwandte tauchten auf. Verrücktes Hotel dachte ich. Ganz schön anstrengend hier Direktor zu sein. Ständig muss aufgeräumt werden und wir müssen schauen das nichts in den Zimmern liegen bleibt, das nicht zu uns gehört. Jedoch, das kann ich wirklich sagen, manche Fundsache fühlte sich wie ein Geschenk an. Diese Vielfalt macht es auch spannend hier Direktor zu sein. Mit einem herzhaften Lachen denke ich das es lediglich eine Frage der Perspektive ist.
Jedenfalls wurden es viele Seiten, die ich mir ansah, doch irgendwie fühlte es sich an, wie ein einziger Moment und ich fragte mich tatsächlich, wo ich hier gelandet bin, hier, in diesem meinem Gedankenhotel.
Mich beschlich das Gefühl, das ich etwas Wesentliches übersehen hatte. Eine Frage tauchte in mir auf: „Kann es sein das die meisten Gäste in meinem Gedankenhotel immer die gleichen sind, nur in anderen Gewändern?“ Kann es außerdem sein, dass sich in meinem Gedankenhotel schon mal Gäste einfinden, die ich freiwillig nicht einladen würde, geschweige denn, sie hineinlassen würde, so ich ihre Ankunft bemerke.
Einem Gefühl folgend begebe ich mich in mein seeeehr privates Arbeitszimmer. Ich liebe diesen Raum. Hier ist es licht, freundlich und klar. Auf einem Regal stehen Mineralien und viele Pflanzen sind darin. Ein großes Fenster gibt es auch und wenn ich hinausschaue, habe ich das Gefühl ich könnte alle Welten betrachten, die großen und die kleinen, und mit einem Lachen denke ich auch die sichtbaren und unsichtbaren.
Nun ist es Zeit zur Ruhe zu kommen. Ich lege mich auf die wunderbare bequeme Couch und kurz bevor ich einschlafe, denke ich daran ab und zu mal die Reklame auszulassen.
Welche Reklame denn?
Na, die Draußen über dem Eingang hängt: „ZIMMER FREI“
Mit freundlichen Grüßen
Der Direktor
NACHTRAG
Sanft wurde ich aus meinem ausgiebigen Nickerchen auf meiner Couch geweckt. Ein Besucher steht mitten in meinem Arbeitszimmer und ich frage mich wie ein Besucher meines Hotels in mein Allerheiligstes gelangen konnte. Dieser Besucher, oder sollte ich sagen, dieses Wesen, hat jedoch eine so wundervolle, friedliche und liebevolle Ausstrahlung das ich ihn einfach mit offenem Mund sprachlos anstarre. Er lächelt mich an und beginnt zu sprechen. „Mein lieber Peter. Du bist der Direktor eines wundervollen Hotels und ich möchte Dir ein paar Fragen stellen und ich möchte Dich bitten nicht zu sprechen, mir einfach zuzuhören und wenn ich gegangen bin, bitte ich Dich, in meine Worte hineinzufühlen, darüber nachzudenken und Dich gleichzeitig an alle Besucher Deines Hotels zu erinnern. Dies wird Dir helfen Deine nächsten Schritte achtsam zu wählen.
Prüfend sieht er mir in die Augen und statt einer Antwort nicke ich nur.
„Gut“ sagt er mit einem Schmunzeln und ich setzte mich wieder auf meine Couch, gespannt darauf was er mir wohl erzählen und welche Fragen er mir wohl stellen möchte. In Ermangelung einer Zuordnung, welches Geschlecht diese Wesen wohl hat, bleibe ich einfach mal bei „er“ und muss bei all diesem Genderwahnsinn doch grinsen das ich selbst in so einem Moment daran denke.
„Was wäre, sagt er mit feierlichem Ernst, wenn Du dieses Hotel schließen würdest, zumindest teilweise“ sagt er lächelnd. Das wunderschöne Hotelschild, das in diesen vielen Farben leuchtet, könntest Du ja dran lassen, wenigstens so lange bis Du tatsächlich das Hotel schließt“ und irgendwie habe ich den Eindruck eines schelmischen Gesichtsausdrucks bei meinem Besucher wahrzunehmen. „Was wäre, wenn Du das Schild Zimmer frei, abmontierst und stattdessen eine Klingel an Dein so wundervolles Eingangsportal montierst worauf stehen könnte, bei Bedarf klingeln? Und wie wäre es mit einem Türspion, damit Du schauen kannst, wer vor der Tür steht, und dadurch entscheiden kannst, wen Du hineinlässt, in Dein Gedankenhotel. Und was wäre, wenn durch die Glasscheiben in Deinem Eingangsportal nur die schauen könnten, die Du schon immer mit offenen Armen empfangen hast. Dazu bedarf es nur ein wenig Magie, fügt er mit einem Lächeln hinzu“.
„Bevor ich gehe, möchte ich Dich noch an etwas erinnern. Jeder, absolut jeder, der dieses Hotel jemals betreten hat,…………… wurde von Dir hineingelassen und dies ganz besonders in den Zeiten in denen Du Deine Rolle als Direktor nicht angenommen hast. Erst als Du Dich Deiner individuellen Verantwortung gestellt hast, hast Du angefangen zu verstehen, ja, und auch zu fühlen das Du immer eine Wahl hattest und sie immer haben wirst. Du entscheidest, wem Du Deine Türen öffnest und wem Du die Möglichkeit gibst in Deinem Hotel zu logieren.“
Sprachs und verschwand. Verwundert reibe ich mir die Augen und glaube zu träumen, und doch, es bleibt das Gefühl, dass das hier gerade sehr real war.
Ich muss nicht lange überlegen, da mir die Bedeutung und die Tiefe der Worte, die mein Besucher an mich richtete, schnell klar wurde. Vor allem das Unausgesprochene, das zwischen den Worten mitschwang. Es ist fast wie das sanfte Nachklingen einer Trommel und verfehlt seine Wirkung nicht. Am Ende dieses Tages werde ich es tun. Ich montiere das Schild Zimmer frei ab. Ich montiere eine Klingel und mit den Glasscheiben lasse ich mir auch etwas einfallen und auf meiner rechten Schulter sitzt ein kleines Wesen und sagt zu mir:
„Oh, Mann wird das ruhig hier, wie langweilig“.
Ich muss lauthals lachen und sage nur: Wenn Du wüsstest, wie schön Stille sein kann“
Wir lassen das einfach mal auf uns zukommen, füge ich noch hinzu.
Das kleine Wesen schaut mich neugierig an und fragt: „Was sollen wir denn auf uns zukommen lassen?“
Und ich antworte mit einem, ja das kann ich wohl so sagen, liebevollen Blick zu ihm:
„Na ganz einfach, das Leben!“
PS: Unter Eingeweihten wird gemunkelt, dass das Gedankenhotel nur noch für Freunde des Hauses geöffnet ist.