Handwerk und Ehre

Handwerk und Ehre

Die s.g. „Handwerkerehre“ ist eine Art Ehrenkodex und rührt wahrscheinlich aus den Zeiten der Bauhütten. Wir kennen den Ursprung nicht. Gepflegt und gelebt wurde dieser Ehrenkodex mit Sicherheit in den Zünften. Wobei in älteren Zeiten aufgrund der gesellschaftlichen Machtstellung der Kirche eine gewisse Frömmelei dazu gehörte. Aber dies soll hier nicht weiter vertieft werden. Dieser „Ehrenkodex“ steht für eine Vielzahl an Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Vertrauen, Qualität und auch den Anspruch Interessierten eine Ausbildung zu ermöglichen, der aber auch für Werte wie Fleiß, Beständigkeit, Hingabe und Treue steht.

Ich glaube, dass bis weit nach dem Ende der handwerklichen Zünfte in Deutschland der Begriff der Ehre bei den Handwerkern keine Worthülse war. Mit Sicherheit hat der Begriff der Ehre und der damit verbundenen Eigenheiten in der überkommenen Tradition der Wandergesellen überlebt. Mich persönlich hat das Instrument der Wanderschaft immer fasziniert, da ich dies, mit meinem mir eigenen Idealismus und meinen Werteinhalten immer auch mit dem Begriff der Ehre verbunden habe.

Wie steht es heute mit dem Begriff der Ehre in unserem „Ehrbaren Handwerk“? Ich glaube das viele Handwerker immer noch die Ehrbarkeit des Handwerks leben. Allerdings kann auch ich aus einem reichen Schatz an Geschichten schöpfen, in denen die Ehrbarkeit auf dem Altar des Materialismus geopfert wurde. Die mutmaßlich im Zuge der Nachkriegszeit, vielleicht auch schon viel früher, entstandene Devise „höher, schneller, weiter, mehr“ hat die Handwerker vor sich hergetrieben. Wobei die Formulierung, vor sich herhaben treiben lassen, wohl stimmiger ist. Eine Schuldzuweisung in Richtung, das System ist so, kann keine Entschuldigung, im Sinne von “ent……schulden“ sein. Letztendlich gibt es den freien Willen und niemand zwingt mich einem System zu dienen bei deren Anwendung meine Handerkerseele laut aufschreit. Bei genauerer Betrachtung ist selbst das Wort Schuld, für die Betrachtung solcher Sachverhalte nicht sinnvoll. Stimmiger finde ich eher die Begriffe „Ursache und Wirkung“. Systeme (letztendlich immer der Mensch!) setzen Ursachen, punkt. In der theoretischen Annahme einer möglichen, freien Willensentscheidung ist jeder individuell in der Lage diese Ursachen zu betrachten, seine Schlüsse zu ziehen, und, eine neue Wirkung zu setzen. Dies könnte eine Abkehr vom System der Monetisierung (Umwandlung in Geld) von ideellen Werten, wie die der Ehre beinhalten.

Damit sind wir wieder bei der Ehre. Das Misstrauen, das in der heutigen Zeit uns Handwerkern entgegenbracht wird, geht einher mit der gesellschaftlichen Entwicklung weg vom Menschen und hin zu Materialismus und Technokratie. Da ist kein Platz für sowas wie „Ehre“. Wer braucht so einen sentimentalen Unsinn schon? Nun, aus eigener Erfahrung kann ich sagen: „Wir alle“. Ein gelebter Ehrbegriff holt alle Menschen da ab wo sie stehen.

Wenn wir wieder lernen uns als Menschen zu begegnen findet dieser Begriff wieder einen Platz in unserem Leben. Ganz einfach deshalb, weil es da sehr viel um Herzqualitäten geht. Vertrauen, Zuverlässigkeit, Fleiß, Hingabe, Treue und auch der Begriff der Qualität sind nicht wirklich messbar. Es sind vielmehr subjektive Empfindungen die viel mit unseren individuellen Lebenserfahrungen und Wertevorstellungen zu tun haben. Insofern ist ein gelebter Ehrbegriff immer eine achtsame und respektvolle Annahme meines Gegenübers. Frei von Verurteilungen, Dogmen, Schuldzuweisungen oder der heute weit verbreiteten Besserwisserei.

In diesem Sinne, ich habe die Ehre ein ehrbarer Handwerker zu sein. Einfach so. Von Herzen.

Peter Schneider