Ich bin ein Sucher, und ich war, ein Sammler und Jäger. Ständig war ich, bevor ich aus tiefem Schlaf erwachte, auf der Suche nach Dingen, die ich vermeintlich dringend benötigte. Es waren Dinge, die in der äußeren Welt Bedeutung haben. Status, Schönheit, Geld, Anerkennung, Respekt und vieles, vieles mehr. Das Leben zeigte mir die Vergänglichkeit all dessen und so begann ich eines Tages über das Loslassen nachzudenken.
Dieses Wort schwang wie der Ton einer Glocke in mir nach und traf auf fruchtbaren Boden. In den letzten Jahren habe ich gefühlt alles losgelassen. Ich trennte mich von meiner Frau, um am nächsten Tag zu ihr zurückzukehren. Ich ließ auch meine Firma los, nicht wissend, ob ich dies zur Gänze tat. Ich trennte mich von allen Dingen, nun ja ein bisschen was ist noch übrig und wartet auf den richtigen Abnehmer, die gefühlt, nur noch schweres Gepäck waren da sie ständig meine Aufmerksamkeit einforderten. In fast zwanzig Jahren Bergbauhobby habe ich Mengen an Unterlagen angesammelt. Zeitlich ein wesentlicher Teil meines Lebens. Ich habe alles verschenkt, von Herzen und mit Freude. Auch von Menschen fing ich an mich zu trennen. Oft erst nachdem der Schmerz zu groß wurde.
Nun sitze ich hier, viel Materielles ist nicht übriggeblieben. Und, es ist mir nicht mehr wichtig, bis auf das, was ich, noch, glaube zu brauchen. Und dann finde ich mich in der Tiefe meines Seins wieder und betrachte, was da in dieser Ecke des Flohmarktes noch so schlummert. Ich habe diese innere Flohmarktecke, gefühlt hunderte Male, durchwühlt, aufgeräumt, umsortiert, entstaubt und mit Freude kann ich sagen das langsam Ordnung Einzug gehalten hat. Es ist leerer geworden, und, ruhiger, denn vieles hatte im Laufe der Jahre ein gewisses Eigenleben entwickelt, nicht immer zu meiner Freude. Das, was ich dort noch sehe, sind all die Sachen, die nach und nach gehen werden, einfach so, ohne die Kämpfe von früher. Ich bin mir sicher, einfach so.
Tja, und dann steht sie wieder vor mir diese besondere Truhe, der ich einen separaten Platz gab, fast schon einem Altar gleich, denn diese Truhe ist alt, sehr alt. Ich traute mich nie diese zu öffnen, denn der Schriftzug auf der Truhe ließ mich immer wieder zögern, obwohl sie erstaunlicherweise nicht verschlossen ist.
Und dies steht auf dieser Truhe: „Mystische Waage“ und in kleiner, fast nicht lesbarer Schrift darunter: „Nur öffnen, wenn du vollständig leer bist“. Ich verstand dieses Rätsel nicht, obwohl ich vor längerem zwei Bücher las, die das, was da zu mir kommen wollte, schon andeuteten. Obwohl ich mich nicht so richtig leer fühlte, faste ich meinen ganzen Mut zusammen und öffnete die Truhe.
Mein Gesichtsausdruck spiegelte Fassungslosigkeit, Erstaunen, Freude und absolutes Nichtverstehen. Denn in der Truhe stand tatsächlich eine Waage. Nun, dies überraschte mich nicht. Was mich jedoch überraschte war Folgendes. Auf der Waage stand in dicken Buchstaben ein Wort, simpel, jedoch mit einer großen Bedeutung und das Wort war: „ICH“
Ich starre auf die Buchstaben und höre plötzlich eine Stimme: „Hallo“. Erschrocken drehe ich mich um, doch da ist niemand und wieder „Halloooo“. Ich schaue in die Truhe und starre die Waage an. Na ja, denke ich, in Fantasyromanen geht sowas ja auch. Und wieder, diesmal eindringlich und bestimmter: „HALLO“. Misstrauisch betrachte ich die Waage und in mir tauchen Worte auf: „Trau Dich“
Und so begann ein seltsamer, mystisch-magischer Dialog mit einer Waage mit Namen „ICH“
Waage: Vertrau deinem Fühlen.
Ich: Du bist eine Waage.
Waage: Das ist das, was du glaubst zu sehen. Geh tiefer.
Ich: Du bist das Leben und stehst mit deinen Waagschalen für das auf und ab, so wie das Ein- und Ausatmen, das Unten und Oben.
Waage: Besser, weiter….
Ich: Ich frage mich, ob es um ein Gleichgewicht geht oder um eine Richtung, eine Wahl.
Waage: Du denkst, wie wäre es mit schauen, fühlen, tiefer gehen?
Ich: Ich habe Ahnungen. Es fühlt sich jedoch neblig und unbestimmt an.
Waage: Nun, das ist das Meer des Lichtes, das auf die Insel der Unwissenheit trifft.
Ich: Bedeutet dies, dass mein gesamtes gesammeltes Wissen an der Insel der Unwissenheit nagt?
Waage: Nein, es ist komplexer und schwierig mit Worten zu beschreiben.
Ich: Als mystische Waage müsstest du das können. (Die Waage lacht tatsächlich und ich stimme in ihr Lachen ein)
Waage: Nun gut. Das, was von den geistigen Hierarchien des Lichts zu dir kommt trifft auf dein gesamtes Sein. Das, was du als Schleier bezeichnest ist die Insel des Nichtwissens. Auf dieser Insel liegen alle Strukturen, die diese lichten Kräfte beeinflussen können, in mannigfaltiger Art, bis hin zur Umkehrung. Dennoch musst du wissen das das Meer des Lichtes mit jeder Flut ein Stück von der Insel des Nichtwissens mitnimmt, Das ist das, was du als deine Entwicklung, deine Entfaltung beschreibst. Das Nichtwissen, der Schleier, verfälscht die lichten Energien und die Durchlichtung deiner selbst gestaltet sich deshalb, in deinem Fühlen, deiner Wahrnehmung, als schwierig und langatmig. Doch wisse, dies ist die Natur der Schöpfung. Es erreicht dich immer das, was du benötigts, um den nächsten Schritt zu tun.
Ich: Du spielst auf die Trennung in Gut und Böse an, und die Bewertungen, die damit einher gehen, die im Grunde genommen, wenn ich nicht werte nur ein sich ergänzendes Wechselspiel von Energien sind. Womit wir wieder bei einer Waage wären.
Waage: Es reicht viel, viel tiefer. Alle deine Systeme, im Innen wie im Außen, die dich ausmachen, dich erreichen, haben jedes für sich betrachtet ein Grundrecht auf ihr sein, denn sie sind Teil der Schöpfung. Das ist das, was du in Tagen der so genannten Schwere genauso so spürst wie in den Momenten wo du gut geerdet, zentriert und angebunden bist. Die einzelnen Elemente, alles Wesenhafte in deinem Sein möchte sich behaupten, überleben und so entstehen gegenseitige Beeinflussungen, die in jedem Menschen individueller Natur sind. Letztendlich unterliegt alles kosmischen Gesetzen, es ist dies die Ordnung der Schöpfung.
Ich: Ja, das spüre ich häufig, doch manchmal fühle ich mich vor einem riesigen Berg stehend und finde den Weg nicht. Und doch habe ich da ein Gefühl, eine Ahnung was der Weg sein könnte.
Waage: Ich weiß.
Ich: Ja, das ahnte ich. Nun denn, dann will ich mal loslegen. Nach allem loslassen bin ich auf etwas gestoßen das eine Größe und Konsequenz in sich birgt der sich mein Verstand verweigert. Es geht um das ICH.
Waage: Und?
Ich: Ich versuche mein Fühlen in Worte zu kleiden. In meiner Wahrnehmung gilt es alles loszulassen, wirklich alles. Dies ist mit dem Spruch gemeint: „Erst Öffnen, wenn du vollständig leer bist“. Es ist eine Treppenartige Entwicklung und bei jedem Loslassen geht es eine Stufe weiter, manchmal sind es große Stufen, manchmal sehr kleine. Und dann kommt eine letzte Stufe, sie ist besonders. Hätte sie einen Namen würde ich sie so nennen: „Ichlosigkeit“
Waage: Kannst du das näher beschreiben?
Ich: Es fühlt sich an wie der letzte Schritt, um etwas zu finden. Es ist ähnlich wie das Märchen, du weißt schon; hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen. Möglicherweise ist es auch die Gralssuche. Es ist, für mich, subjektiv, individuell, der Schlüssel, der mich zu dir führt, in die lichten Höhen der Wirklichkeit, ohne den sonst notwendigen Schritt des Sterbens, als Mensch.
Waage: Wieso zu mir? Ich bin doch da.
Ich: ja die Paradoxe, ich weiß. Ich liebe diese Bilder. Ich bin mir sicher, die letzte Stufe ist der Beginn einer Vergeistigung, im Licht der Wahrheit und deiner Liebe, und, diese Stufe ist nur mit Ichlosigkeit zu meistern. Ich vermute auf dir hätte auch ein anderer Name stehen können, irgendwas mit G und T statt „ICH“. Ich habe allerdings so eine Ahnung das es keinen Unterschied macht. Ich danke dir für das Gespräch.
Waage: Gerne, du weißt ja, ich war nie weg, bin immer da und so, und…………….
Ich: Und nun?
Waage: Lebe, „Im Lichte der Wahrheit und der Liebe unseres Schöpfers“. Ich hörte, dies sei deine Lieblingsaffirmation, also suche weiter, die Wahrheit, die Einzige, die wahre. Ich hörte auch, du hättest gute Aussichten sie zu finden, aber, dass mein lieber Peter ist eine andere Geschichte.
PS: Du kannst die Truhe auflassen!