Ich folgte der Einladung einer mir nicht bekannten Gastgeberin, eine Weile zu Besuch zu kommen, in ihr Haus. Nicht wissend oder ahnend was mich erwartet nahm ich die Einladung an. Schon bevor ich mich auf die Reise machte, fühlte ich mich wie zuhause, besonders dann, wenn ich mit meiner Gastgeberin sprach oder wir uns Nachrichten schickten. Etwas zog mich magisch an und die Vorfreude auf meinen Einzug wuchs. Ich wusste, dies ist ein besonders Haus und ich wusste das der Besuch Monate dauern sollte und so machte ich mich auf die Reise. Ich nahm alles mit, zur Gänze, mich und alles nötige und ob ich wollte oder nicht auch das unnötige Gepäck, meinen gesammelten Ballast.
Ich betrat dieses riesige Haus mit einer gewissen Scheu, ja es war fast eine Art Schüchternheit, und die hatte weniger mit dem Haus zu tun als mit der Lebendigkeit meiner Gastgeberin deren Energie mich in ihren Bann zog. Sie begann nach und nach die Türen der einzelnen Zimmer zu öffnen. Selten ging sie mit hinein. Meistens blieb sie in der Tür stehen, manchmal mit einem wissenden Blick oder mit einem Lächeln. Stets absichtslos und liebevoll. Immer wieder wünschte ich mir Erklärungen zum Inhalt dieser Zimmer, doch, meine Gastgeberin schwieg, und, ich fragte auch nicht, es schien richtig zu sein. Oft war in mir die Frage, weiß sie was ich, in vermeintlich ihren Zimmern, finden werde? Unbewusst blieb in mir das Gefühl dies selbst herausfinden zu müssen, ja es war ein Gefühl von müssen. Bis zu dem Tag als ich das erste Zimmer betrat. Die Zimmer, nicht nur das erste, es waren viele die ich betrat, wurden durch mein Betreten zu, auf fast magische Art, wie in einem Märchen, zu meinen Zimmern. Ich wurde neugierig und so begann ich auf eigene Faust die einzelnen Zimmer zu erkunden. Nach und nach nahm ich all die vielen Zimmer in Augenschein und ich fühlte mich auf mannigfaltigste Art herausgefordert. In manchem Zimmer fand ich wahre Schätze, andere spülten alle möglichen Befindlichkeiten bis hin zu Wut und tiefer Angst ans Licht. Und dann gab es kurze Besuche in Zimmern, die mich nicht ansprachen und dennoch probierte ich sie aus, tief und intensiv, um sie anschließend loszulassen. Wieder andere Zimmer waren vielfältiger, von einer geheimnisvollen, einer anderen Art.
Dies waren die Zimmer der Vielheit. Hier empfand ich etwas Tieferes, das ich noch nicht kannte. Ich nenne sie die Zimmer der Vielheit, weil sie nicht zu einem individuellen Zimmer werden, wenn ich sie betrete, vielmehr musste ich mich durch diese Zimmer hindurchwühlen, ich musste zum Zimmer selbst werden, jedes Detail förmlich in mich hineinsaugen, musste schmecken, riechen, schauen, fühlen und in die unsichtbare Welt, die ich nicht sah, abtauchen. Ich versuchte das Tiefe, das Dahinter, das, was auch immer zu greifen, zu begreifen. Und, ich weiß immer noch nicht, wie gut es mir gelang, bis heute. Dennoch schreib ich dies mit einem Lächeln und Frieden ist in mir. Ein Frieden der Wohnstatt in mir genommen hat. Nun kann ich schweigen, und reden, wenn es etwas zu reden gibt.
Und heute im Hier und jetzt, mein Aufenthalt in diesem Haus neigt sich dem Ende zu, sitze ich hier und bin dankbar die Einladung angenommen zu haben. Möglicherweise war oder bin ich nicht immer der perfekte Gast. Ich kann jedoch sagen, ich versuchte es zu sein, und wer weiß, ob ich dies nicht noch werde, in diesem Leben. Ich weiß, dieses ach so seltsame, magisch-mystische Haus ist eine Schule gewesen. Eine Lebensschule. Mehr muss ich nicht wissen, nur annehmen und leben, das ist mein.
Und obwohl es das Haus meiner Gastgeberin ist, mit Zimmern, die von ihr eingerichtet wurden, nahm ich mir die Freiheit zu sein. Ich nahm mir die Freiheit mich und die Zimmer auszuprobieren. Heute weiß ich, dass ich dies erst tun konnte als ich den Mut hatte meine Gastgeberin und ihr Haus in Gänze loszulassen, als ich den Mut fand alle Meinungen, Bewertungen und Kritik die in mir reichlich vorhanden waren zu betrachten und gehen zu lassen, mit Demut, Toleranz und Empathie. Und, ich kann mir vergeben, all die Gedanken, die da in mir waren, sie sind Teil des Prozesses.
NACHWORT
Heute, es ist der 08.10.23, folge ich einem Impuls eine Ergänzung zu dem Text „Das Zauberhaus“ zu schreiben den ich vor einem Jahr geschrieben habe. Das Leben schreitet fort, jede Sekunde, jeden Tag und meine Erfahrungen lassen auch meine Texte manchmal in einem anderen Licht erscheinen. Das nenne ich Entwicklung. So möchte ich heute sagen, dieses Haus, war letztendlich nicht das Haus meiner Gastgeberin. Ich würde heute eher sagen das ich durch meine Gastgeberin in meinem eigenen Haus herumgeführt wurde. Wie das? Nun ich kann sagen das ich mein Haus, mit all den vielen Zimmern, auf eine neue Art und Weise kennenlernte. Dieses Haus ist „Mein Leben“.